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Wie setze ich Bio im Schulcatering um?

Im Gespräch mit Marco Ewert von „natürlich essen".


copyright: natürlich essen

Seit 2010 betreibt Marco Ewert zusammen mit seiner Frau Ute das Unternehmen „natürlich essen“ in Berlin. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern haben es sich die Schulcaterer zur Aufgabe gemacht, schülergerechte Vollwertkost zu kochen, die trotz des Anspruchs einer gesunden Ernährung von den Kindern und Jugendlichen gern und mit Genuss gegessen wird. Bis zu 4.500 Mahlzeiten werden täglich vom Küchenteam zubereitet und von ca. 100 Mitarbeitern in den Schulen ausgegeben.


In Berlin haben alle Bezirke die Schulverpflegung der Primarstufe für das Schuljahr 2020/2021 neu ausgeschrieben und setzen bei der aktuellen Ausschreibung verpflichtend darauf, dass das Essen grüner, gesünder und fairer sein soll. Nina Esser von Transgourmet wollte von Marco Ewert im Interview wissen, was das für seinen Arbeitsalltag bedeutet.


Herr Ewert, hat sich durch die neuen Vorgaben des Berliner Senats in Bezug auf Bio-Produkte und Fairtrade-Lebensmittel für Sie in Ihrem Arbeitsalltag etwas verändert? Uns ist es wichtig, natürliche und hochwertige Speisen zu produzieren, die frisch sind und ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern, Aromen, Farbstoffen und Fertigsoßen auskommen. Wir verwenden daher schon immer mindestens 40 Prozent regionale und Bio-Produkte. Deshalb war lediglich der Einsatz von Fairtrade-Produkten bei Reis, Ananas und Bananen für uns eine Neuerung. ​ Wie haben die Schüler, Lehrer und Eltern auf die neuen Verordnungen reagiert? Da die Schulen die hohe Qualität unserer Produkte gewohnt sind, gab es keine große Veränderung für die Lehrer, Schüler und Eltern. Allerdings versorgen wir viele Schulen hier im Norden von Berlin und damit einen Bezirk, in dem viele Arbeiter mit ihren Familien leben. Für uns ist es deshalb schwieriger, den Eltern verständlich zu machen, warum ihre Kinder nach den neuen Verordnungen nur zwei Mal pro Woche in der Schule Fleisch angeboten bekommen und ansonsten das Essen vegetarisch ist. Gerade Familien mit einem niedrigeren Einkommen wünschen sich, dass ihre Kinder in der Schule Fleisch essen. Wir beliefern zum Teil nicht die Klientel, die Soja, Tofu oder andere Alternativen auf dem Schirm hat. ​ Haben Sie parallel zur Speisenumstellung auch weiterführende Infos zu Bio und Fairtrade „verteilt“? Wir bieten den Schulen, mit denen wir zusammenarbeiten, ein Rahmenprogramm mit Projekten zu Ernährung und Bewegung an. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel auf Schulfesten Eltern und Kinder über gesunde Ernährung informieren und sie den Kindern spielerisch näherbringen. Werbung oder Flyer verteilen wir allerdings nicht. Wir betreuen unsere Schulen und Kitas schon sehr lange und legen mehr Wert auf eine ständige und persönliche Betreuung. ​ Bundesweit einzigartig ist, dass das Essen für die Klassenstufen 1 bis 6 kostenfrei ist. Wie sehen Sie diese Regelung? Leider ist es so, dass viele Eltern das Essen bei uns nicht mehr abbestellen, sollte das Kind zum Beispiel einmal krank sein. Frei nach dem Motto: Ich muss es ja eh nicht bezahlen. Ich finde das sehr schade, denn jedes produzierte Essen, das nicht abgeholt wird, landet am Ende in der Tonne und hat unser Klima unnötig belastet. Ich bin deshalb dafür, dass die Eltern einen kleinen Teil selbst übernehmen, denn dann wird weniger leichtfertig damit umgegangen.


Setzen Sie außer den vorgeschriebenen 30 Prozent zusätzliche Produkte aus Bio-Anbau ein?


Ja, wir haben uns beispielsweise bei der Ausschreibung freiwillig dazu verpflichtet, bei den acht Fleischmahlzeiten, die im Monat angeboten werden, vier Mal Fleisch in Bio-Qualität zu verwenden. Für mich muss Bio aber auch vernünftig sein und Nachhaltigkeit bedeutet für mich nicht nur Bio, sondern auch Regionalität. Ich lasse ungern den Apfel aus Brandenburg liegen, nur weil auf dem Apfel aus Spanien „Bio“ steht. ​ Woher beziehen Sie Ihre Bio-Produkte? Wir beziehen unsere Produkte zum Teil von Transgourmet, zum Teil von einem Anbieter hier aus der Region. Da wir als EU-zertifizierte Küche strenge Auflagen haben und beispielsweise kein rohes Fleisch verarbeiten dürfen, außer es ist tiefgefroren, ist es uns wichtig, dass wir regionale Lieferantenpartner haben, die die Produkte nach unseren Wünschen und Ansprüchen herstellen. ​ Seit 2021 muss der Bio-Anteil 40 Prozent betragen und Obst sowie Milch und Milchprodukte müssen vollständig in Bio-Qualität eingesetzt werden. Wie herausfordernd wird diese Anpassung für Sie sein? Was Milchprodukte angeht, sind wir hier in der Region gut versorgt. Allerdings sind die regionalen Bio-Anbieter von Obst und Gemüse begrenzt. Ich befürchte, dass es spätestens im nächsten Jahr schwierig werden wird, den steigenden Bedarf an Bio-Produkten zu decken. Sicherlich wird es früher oder später notwendig sein, dass sich mehr regionale Produzenten biozertifizieren lassen. Denn wie gesagt ist es uns wichtig, dass die Produkte nicht nur bio, sondern auch regional und nachhaltig sind. ​ Herr Ewert, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch!

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