top of page

Wertschöpfung 2.0 - ein provokativer Blick zurück aus der Zukunft

Wir schreiben das Jahr 2025. Der Beginn der Coronakrise liegt erst fünf Jahre zurück. Corona schlug damals wie ein Meteorit in den Außer-Haus-Markt ein und hat ihn für immer verändert.

Das Frühstücksbüfett im Hotel ist verschwunden, die Zahlungsbereitschaft um 30 Prozent gestiegen

Hotelgäste frühstücken heute in festen Zeit-Slots oder nehmen ihr Frühstück auf dem Zimmer ein – was zunehmend beliebter wird. Auf Instagram geht der Hashtag #breakfastintheroom durch die Decke. Hot ist, wer zeigt, was er auf dem Frühstückstablett auf sein Zimmer bekommt. Da das Frühstück somit zwar sehr privat eingenommen wird, aber zur neuen Social-Media-Bühne avanciert, ändert sich das, was angeboten wird, und das, was konsumiert wird. Gesunde farbenfrohe Arrangements setzen sich immer mehr durch. Die Zahlungsbereitschaft für Hotelfrühstücke hat sich deutlich um mehr als 30 Prozent erhöht. Während früher in Innenstadtlagen 12 Euro im Schnitt üblich waren, sind es heute 15,80 Euro.

Für einen Sitzplatz im Frühstücksraum erfolgt die Anmeldung für einen Zeit-Slot spätestens am Vorabend, jedoch in der Regel schon bei der Buchung des Zimmers. Wer zusätzlich zahlt, bekommt einen bevorzugten Slot. In den meisten Hotels ist das Frühstück auf maximal 30 Minuten begrenzt. Wer länger frühstücken möchte, zahlt zusätzlich.

Statt Büfett und Selbstbedienung gibt es ein À-la-carte-Frühstück. Das Frühstück wird beim Check-in oder spätestens 15 Minuten, bevor der gewählte Frühstücks-Slot beginnt, per App ausgewählt. Ein Nachschlag innerhalb des Zeit-Slots ist via Smartphone möglich.

Eine App ist für nahezu alle Hotels normal geworden. Die Kund*innen haben sich nicht nur daran gewöhnt, sondern möchten den dadurch entstandenen Komfort nicht mehr missen. Größere Hotelketten haben meist ihre eigene App. Für kleinere Hotels hat sich am Markt die gastronovi-Hotel-App durchgesetzt.

Durch die Aufgabe des Frühstücksbüfetts bzw. die Virtualisierung des Büfetts konnten im Schnitt der Food-Waste um 25 Prozent und der CO2-Fußabdruck um 15 Prozent reduziert werden. Gerade die deutliche Reduzierung der Food-Waste-Menge konnte die personellen Mehraufwendungen mehr als kompensieren.

Betriebskantine – Dezentralisierung, Digitalisierung, Delivery

Wer heute in einer Betriebskantine zu Mittag essen möchte, hat in der Regel mehrere Optionen. Bei allen entscheidet man sich vorab vom Arbeitsplatz aus, was und wann man essen möchte. Dabei gilt die Regel: Je früher man sich für das Was und Wann entscheidet, desto größer die Wahlfreiheit. Das Vorbestellsystem führte zu einem deutlichen Rückgang der Essensabfälle.

Die klassische Essensausgabe wird immer seltener. An ihre Stelle trat ein kontaktloses System, in dem via Smartphone vorbestelltes Essen in kurzen Zeit-Slots von drei Minuten einem Fach entnommen werden kann. Je pünktlicher ein Gast sein Essen entnimmt, desto mehr Bonuspunkte bekommt er. Diese Punkte kann der Gast in attraktive Extras umsetzen. Das genaue Planen der Essenszeiten ermöglicht, dass maximal 30 Prozent der Kantinenplätze gleichzeitig besetzt sind.

Neben der Mahlzeiteneinnahme in der klassischen Kantine können in vielen Unternehmen die Essen auch inhouse in sogenannte Abteilungsspeiseräume geliefert werden.

Da seit der Coronakrise Homeoffice selbstverständlicher wurde, ermöglichen auch immer mehr Firmen eine Lieferung der Mahlzeiten nach Hause. Hier gibt es in der Praxis ganz unterschiedliche Systeme. Zum Teil geht man über die großen Essenslieferanten, zum Teil nutzt man eine eigene Logistik und zum Teil werden die Gerichte für das Homeoffice als Take-away schon am Vortag mitgenommen und am Folgetag nur erwärmt.

Die Gesamtmahlzeiten, die eine Betriebskantine heute pro Tag produziert, liegen durch die Reihe oberhalb der Zahlen vor der Coronakrise. Viele nutzen den betriebseigenen Take-away-Service bzw. Delivery-Service auch für die Versorgung der Familie daheim.

Das Image von Betriebskantinen hat in der Folge deutlich zugelegt. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass auch der sogenannte Fachkräftemangel bald Geschichte ist. Bei vielen Unternehmen gehört es mittlerweile zum guten Ton, versierte, kreative, tischgastorientierte Köch*innen einzusetzen. Der sogenannte Kantinentest, der sich 2020 gerade erst etablierte, bekommt heute in der Breite der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit als die jährliche Verleihung von Sternen und Auszeichnungen an Spitzenrestaurants.

Restaurant – Coperto 2.0 und mehr Geld für emotionalen Genuss

Die meisten Deutschen lieben Italien als Urlaubsland und die meisten schüttelten in der Vergangenheit beim Restaurantbesuch den Kopf über das sogenannte Coperto, also den Betrag zwischen 1,50 und 5 Euro, der auf der Rechnung pro Person für das Tischgedeck auftaucht.

Heute hat sich das Ganze international als Coronaperto durchgesetzt und wird meist ohne Murren gezahlt: Eine verminderte Sitzplatzzahl und erhöhte Hygienemaßnahmen gehören nun zum guten Ton, so wie einstmals Tischdecke und Besteck ...

Da die Restaurants dauerhaft mit jeweils etwa der Hälfte der bisherigen Sitzplätze wirtschaftlich agieren müssen, bekam auch das Thema Wertschöpfung auf dem Teller eine zentrale Rolle. Dabei halfen einige der bereits 2020 sichtbaren, aber doch in der Breite eher unbedeutenden Foodtrends wie „Nose to tail“ oder „Root to leaf“.

Dass Gemüse der neue Star auf dem Teller sei, hieß es auch schon zu Beginn der 2020er, jedoch hatte man gefühlt mehr darüber gelesen als ernsthaft auf den Tellern angetroffen. Was damals durch Instagram vor allem visuell getrieben und von ambitionierten Top-Köch*innen dann in tatsächliche Geschmackserlebnisse übersetzt wurde, ist heute Standard auf vielen Speisekarten. Der springende Punkt ist, dass man heute selbstverständlich für ein Gemüsegericht den gleichen Preis zahlt wie früher für ein Fleischgericht. Wer die meist etwas aufwendigere Zubereitung von Gemüse – von den Arbeitsabläufen her betrachtet – im Griff hat, kann so von geringeren Wareneinsatzkosten und einem höheren Deckungsbeitrag auf dem Teller profitieren.

Um auch die Deckungsbeiträge bei Fleischgerichten zu erhöhen, setzen die meisten Gastronomen heute auf die Formel „Kleine Portion, große Story“. Der emotionale Genuss hat damit gerade bei Fleisch und Fisch noch mal deutlich an Bedeutung gewonnen. Gewinner dabei sind die Herzbluterzeuger, die einen Dreiklang aus persönlicher Philosophie, herausragendem Geschmack und transparenter Herkunft leben.

Insgesamt haben teure, exotische Zutaten stark an Bedeutung verloren. Sie passen schlicht nicht mehr in die neue überlebensnotwendige Deckungsbeitragsdenke auf dem Teller. Bei den Tischgästen stößt dies auf offene Herzen und auf offene Portemonnaies, denn seit Corona 2020 gehört die „Antiglobalisierung“ zum guten Ton. „Local Heroes“ sind die neuen Produzentenstars – die interessanterweise nicht immer um den eigenen Kirchturm sitzen müssen, sondern auch mal im Nachbarland. Hier gilt die Regel: Je generischer ein Produkt ist, desto eher wird tatsächlich geografische Nähe erwartet, je mehr Spezialitätencharakter ein Produkt hat, desto mehr schmelzen auch die wahrgenommenen Food-Miles.


BILD: Sascha Walz

bottom of page